KiKTK-Studie

KiKTK-StudieKiKTK-Studie

Eine Studie über Kinderkrebs in der Nähe von Kohlekraftwerken und Tagebauen.

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ZUSAMMENFASSUNG

Ende 2007 veröffentlichte das Bundesamt für Strahlenschutz unter sehr hohem Medieninteresse die sog. KiKK-Studie (Kinderkrebs in der Nähe von Kernkraftwerken-[1]/[2]). Das Forscherteam wollte darin wissenschaftlich fundierte Belege dafür gefunden haben, dass zwischen der statistischen Wahrscheinlichkeit im Kindesalter an Krebs zu erkranken und der Wohnort-Nähe zu einem Kernkraftwerk ein kausaler Zusammenhang bestehen würde.

Ende 2008 veröffentlichte der Bund Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) eine Informationsbroschüre über “Radioaktivität aus Braunkohle-Tagebauen und -Kraftwerken” – nachfolgend nennen wir sie abgekürzt RTBK-Studie ([3]/[4]).

Die vorliegende KiKTK-Studie (Kinderkrebs in der Nähe von Kohle-Tagebauen und -Kraftwerken, ausgesprochen “Kicktack”-Studie 🙂 ) fasst beide Ausgangsstudien zusammen und kommt unter der Voraussetzung der Richtigkeit beider zum folgenden Resultat:

  1. die statistische Wahrscheinlichkeit im Kindesalter an Krebs zu erkranken ist bei einem Wohnort in einer Entfernung von bis zu 5 Km von einem Kohle- oder Gaskraftwerk mit der Leistung von 1 GW mindestens 100 mal so hoch, wie normal, insbesondere in einer Entfernung von mehr als 5 Km hiervon;
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  2. die statistische Wahrscheinlichkeit im Kindesalter an Krebs zu erkranken ist bei einem Wohnort in einer Entfernung von bis zu 5 Km von einem Kohletagebau etwa 1000 mal so hoch, wie normal, insbesondere in einer Entfernung von mehr als 5 Km hiervon.
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1. GRUNDLEGENDE KONZEPTE. TERMINOLOGIE

Die KiKTK-Studie ist eine reine axiomatisch-deduktive Studie. Die Beurteilung der Richtigkeit von Ausgangsstudien gehört daher nicht zu deren Aufgaben; vielmehr wird die Richtigkeit von [1]/[2]/[3]/[4] als gegeben vorausgesetzt. Ferner werden vorliegend keinerlei Wertungen über die Ausgangsstudien abgegeben.

Dem Leser ist es gleichwohl unbenommen, sich über problematische Aspekte beider Ausgangsstudien sachkundig zu machen (so z.B. über die KiKK-Studie vor dem Hintergrund der KiQK-Studie) und es ist ebenso zulässig, aus der evtl. subjektiv empfundenen Unrichtigkeit beider KiKTK-Thesen auf Unrichtigkeit einer oder beider Ausgangsstudien zu schließen. Die KiKTG-Studie sollte lediglich den zuvor unterstellten transitiven Zusammenhang belegen.

Der Hauptgegenstand der KiKTK-Studie ist ein Phänomen, was zumeist mit sehr viel Ungläubigkeit vernommen wird und was selbst der BUND als eine der “zumeist verschwiegenen Gefahren” bezeichnet. So ist in der RTBK-Studie viel von der sog. “radioaktiven Exposition”*) die Rede und zwar bei Braunkohletagebauen, Tagebauen im Allgemeinen bis hin zu den Kohlekraftwerken (um letztere von den Kernkraftwerken “KKW” zu unterscheiden, bezeichnen wir Kohlekraftwerke als “CKW” bzw. Gaskraftwerke als “GKW”). Was damit gemeint ist, lesen wir bereits in den ersten Absätzen der Studie: Es geht um natürlich (“erdbürtig“) in der Erdkruste vorkommende radioaktive Stoffe wie Uran-238 oder Thorium-232, die im Zuge des Kohleabbaus “verfrachtet, zum einen Teil verkippt und zum anderen Teil der Verbrennung zugeführt werden“.

Bemerkung: Umfangreichere Zitate aus den Ausgangsstudien werden zusätzlich zu den üblichen Anführungsstrichen in Dunkelblau gekennzeichnet.

Die erste Frage, die sich dem Leser aufdrängen mag, ist wohl die, ob denn die paar Gramm Uran oder Thorium, die in der Erdkruste vorkommen mögen, wirklich mit der “Strahlung” eines Kernkraftwerkes vergleichbar sind. Auf den ersten Blick sicherlich nicht – das will ich gerne zugeben. 2-3 g Uran pro Tonne ist doch nichts verglichen mit einem KKW, wird so mancher Leser wohl sagen. Nun stimmt das aber bei näherem Hinsehen nicht mehr, insbesondere dann nicht, wenn man bedenkt, dass ein CKW mit einer Leistung eines durchschnittlichen Kernreaktors (1 GW) gut 2 t Braunkohle oder fast an die 1 t Steinkohle in… einer Sekunde (!) verschlingt. Wer einmal vor einem 2 t-Haufen Kohle gestanden hat oder gar diese in den Heizkeller in Omas Haus hat hineinschaufeln dürfen, kann sich gut vorstellen, dass alleine die Radioaktivität von mehreren solchen Haufen pro Sekunde eine alles andere als marginal sein wird.

Die KiKTK-Studie hat sich zum Ziel gesetzt, exakt dieses Phänomen näher zu untersuchen – oder genauer, diejenigen Schlussfolgerungen aus bereits vorliegenden Studien zu ziehen, um die sich die Verfasser derselben – z.B. das KiKK-Team, der BUND bis hin zum Dt. Bundestag – partout herumdrücken.

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*) Dass sowohl die “radioaktive Exposition” als auch die “Strahlenexposition” euphemistische Begriffe sind, wird unter “Radioaktive Exposition” des Lexi-AAI ausgeführt. In der vorliegenden KiKTK-Studie verwenden wir dennoch diese Termini, zumal hier keine Wertung über die Ausgangsstudien abgegeben werden soll.
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2. VERGLEICH CKW / KKW / TAGEBAU. LEMMATA

Unter dem Absatz “Kohle und Radioaktivität” der RTBK-Studie lesen wir:

(RTBK1) >> Kohlekraftwerke sind als punktförmige Emittenten radioaktiver Substanzen schon seit langem bekannt. Bereits 1978 wies das US-amerikanische Oak Ridge National Laboratory (ORNL) darauf hin, dass die radioaktive Belastung im Umfeld kohlebefeuerter Kraftwerke sogar noch höher ist als in der Umgebung von Atomkraftwerken. Sowohl die radioaktiven Isotope der Uran- als auch der Thorium-Kette finden sich in den Kraftwerksaschen und werden auch über die Schornsteine emittiert. Weltweit gelten Braun- und Steinkohlekraftwerke neben Atomkraftwerken als die größte Quelle radioaktiver Kontamination der Umwelt. Das ORNL schätzt, dass durch Kohlekraftwerke innerhalb der 100-Jahres-Periode bis 2040 weltweit insgesamt über 800.000 t Uran und 2 Mio. t Thorium freigesetzt sein werden << **)

Und weiter unter diesem Kapitel heiße es:

(RTBK2) >> Die Bundesregierung beziffert die Radioaktivität aus der in Deutschland jährlich genutzten Kohle mit 4 Terabecquerel Uran-238, 3 Terabecquerel Thorium-232 und 15 Terabecquerel Kalium-40 (Quelle: Dt. Bundestag, Drs. 16/9032). Eine Kohlekraftwerk der 600 MW-Klasse setzt danach trotz modernster Filtertechnik jährlich 160 Megabecquerel Uran-238, 800 Megabecquerel Polonium-210, 110 Megabecquerel Radium-228 sowie weitere Isotope in die Atmosphäre frei <<

Ganz besonders interessant ist die in der RTBK-Broschüre häufig zitierte Quelle, nämlich die “Drucksache 16/9032 des Dt. Bundestages” ([4]), die seinerzeit als Antwort der Bundesregierung auf Anfrage einiger Abgeordneter der Fraktion B’90/Grüne ergangen war. Dort lesen wir u.a.:

(RTBK3) >> Bei Filteranlagen nach dem Stand von Wissenschaft und Technik werden etwa 99,5 Prozent der Flugasche im Filter zurückgehalten und etwa 0,5 Prozent entweichen mit dem Abgas in die Umwelt, siehe auch Antwort zu Frage 26. Mit dem Vollzug der im Jahre 2004 novellierten Verordnung über Großfeuerungs- und Gasturbinenanlagen (13. BImSchV) werden alle Kraftwerke ihre Staubemissionen nach dem Stand von Wissenschaft und Technik reduzieren. Für Neuanlagen gilt dies bereits jetzt, für Altanlagen je nach Übergangsregelung, spätestens aber bis zum 31. Dezember 2012.

Dem Bericht des UNSCEAR aus dem Jahr 2000 zufolge werden bei einem Kohlekraftwerk mit einer Leistung von 600 MWe und moderner Filtertechnik jährlich folgende Aktivitäten in die Atmosphäre freigesetzt:

Uran-238: 160 Megabecquerel (106 Bq),
Thorium-228: 80 Megabecquerel,
Radium-288: 110 Megabecquerel,
Radon-222: 34 Megabecquerel,
Blei-210: 400 Megabecquerel,
Polonium-210: 800 Megabecquerel und
Kalium-40: 270 Megabecquerel.

Die Strahlenexposition (effektive Dosis) durch die Abgabe radioaktiver Stoffe aus einem Kohlekraftwerk in die Atmosphäre beträgt damit weniger als vier Zehntausendstel Millisievert pro Jahr (0,4 μSv/a).

Bei Kernkraftwerken werden im Normalbetrieb künstliche radioaktive Stoffe mit Luft und Wasser abgeleitet. Bei deutschen Kernkraftwerken wurden im Jahr 2000 pro Anlage im Mittel etwa 2 Terabecquerel radioaktive Edelgase, d. h. Radioisotope der Elemente Argon, Krypton und Xenon, 6,5 Megabecquerel Schwebstoffe mit den Radioisotopen der Elemente Kobalt, Cäsium, Strontium und Iod, 20 Megabecquerel des Iodisotops I-131 in elementarer und organischer Form, 440 Megabecquerel Tritium und 470 Megabecquerel des Kohlenstoffisotops C-14 als Kohlendioxid und in organischer Form in die Atmosphäre freigesetzt. Die aus diesen Werten mit einem konservativen Berechnungsverfahren ermittelte jährliche Strahlenexposition (effektive Dosis) durch Ableitungen radioaktiver Stoffe mit der Luft betrug 2002 bei deutschen Kernkraftwerken im Mittel vierzehn Zehntausendstel Millisievert (1,4 μSv) pro Anlage. Diese Strahlenexposition wurde nahezu ausschließlich durch Kohlenstoff 14 verursacht <<

Bemerkung: Die hier ermittelte Strahlenexposition für KKW “pro Anlage” kann nur für einen Siedewasserreaktor (SWR) gelten, denn ein Druckwasserreaktor (DWR), mit geschlossenem Primärcontainment, emittiert im störungsfreien Betrieb praktisch nichts Messbares.

Aus (RTGK3) können wir zunächst schlußfolgern:

Lemma 1: Die leistungsbezogene Strahlenexposition eines CKW gemessen am Schornsteinausgang ist mit derjenigen eines SWR-basierten KKW vergleichbar:

Œ≈Æ

ΠРStrahlenexposition (leistungsbezogen) eines CKW;
Æ – Strahlenexposition (leistungsbezogen) eines KKW;

Beweis: Wir multiplizieren die 0,4 μSv/a eines 0.6 GW CKW mit dem Faktor 3.5, um die durchschnittliche Leistung eines KKW von ca. 2 GW zu erhalten, und kriegen dann eine effektive Exposition eines 2 GW-CKW von 1.4 μSv/a. ¤

Es handelt sich wohl gemerkt um eine Messung am Schornsteinausgang, wo “modernste Filteranlagen” mit einem “Wirkungsgrad von 99,5%” agieren. Die 99.5% der Stoffe, die zwar abgefiltert, aber längst nicht irgendwo endgelagert werden, bleiben genauso auf der “Haben”-Seite eines CKW, wie diejenigen in der Asche, die bekanntlich auf den Halden landet und so “endgelagert” wird. Mit einem Faktor von 100 für beide Effekte sind die CKW somit noch sehr gut bedient:

Lemma 2: Die summarische, leistungsbezogene Strahlensexposition eines CKW ist gegenüber derjenigen eines SWR-basierten KKW um zwei Größenordnungen höher:

Œ≈100·Æ

Beweis: Ergibt sich aus (RTBK3) sowie der obigen Überlegung ¤

Und zu guter Letzt schließen wir dieses Kapitel mit einer Aussage über die Tagebauen:

Lemma 3: Die summarische leistungsbezogene Strahlensexposition eines Tagebaus korrespondierend zu einem CKW ist gegenüber derjenigen eines SWR-basierten KKW um drei Größenordnungen höher:

Œ≈1000·Æ

Beweis: In der RTBK-Studie werden sehr ausführlich radioaktive Effekte bei Tagebauen behandelt, so dass der Faktor 10 gegenüber einem CKW als sehr konservativ anzusehen ist. ¤

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**) Eigendenk der bekannten (Radio-) Aktivität von Th-232 (4,06 MBq/kg) sowie U-238 (12 MBq/kg) können wir die ORNL-Angaben aus (RTBK1) umrechnen. Damit kommen wir auf Werte, die sämtliche Unfälle mit KKW’s um das mehrfache überschreiten. Zwar beziehen sich diese Angaben auf eine 100-jährige Periode bis 2040, aber sie beschränken sich auch nur auf Uran und Thorium. Über die jeweiligen Zerfallsketten, die noch gefährlicher werdenden Zerfallsnuklide ist damit genauso wenig ausgesagt, wie über andere Ausgangsnuklide.

3. HAUPTLEMMA DER STUDIE. QUOD ERAT DEMONSTRANDUM

Lemma 4. Die in der KiKK-Studie ermittelten erhöhten Krebsrisiken für die genannte Bevölkerungsgruppe mit einem Wohnort im Umkreis von 5 km um ein KKW sind auf die Strahlensexposition derselben zurückzuführen, zu der sie proportional sind.

Ð = a·Æ*, a>0
Ð – relative Häufigkeit von Krebserkrankungen (Krebsrisiko);
Æ* – relative (flächenbezogene) Strahlenexposition.

Beweis: Die KiKK-Studie unterstellte zunächst einen “kontinuierlichen Abstandstrend”, d.h. einen kontinuierlichen Anstieg der Krebsraten je näher der Wohnort der “Fallkinder” ***) an einem KKW lag. Nach harscher Kritik gepaart mit durchaus fundierten Gegenbeweisen wurde diese Behauptung jedoch fallen gelassen (dies wird häufig als das “große Zurückrudern” in der Geschichte der KiKK-Studie bezeichnet), stattdessen propagiert man seitdem einen Ansatz, den das KiKK-Team als “besondere Stärke” der eigenen Studie ;-) zu bezeichnen pflegt: Man wollte um 30% erhöhte Krebsraten innerhalb von 5 km-Umgebungen rund um die KKW’s ausgemacht haben, während es sonst in der Tat gar keine erhöhten Risiken geben sollte.

Dieser rapide Anstieg in Form einer regelrechten “Treppenkurve” lässt nur einen Schluss zu, nämlich, dass die erhöhten Krebsraten etwas mit der Strahlenexposition zu tun haben müssen. Denn von der wir wissen u.a., dass sie – bezogen auf die Fläche, aud die sie niedergeht – quadratisch mit der Entfernung von der Strahlenquelle (hier von einem KKW) abnimmt.

Aber auch ohne die obige Überlegung kann man den ersten Teil von unserem Lemma gut beweisen. Denn was soll denn bitte schön sonst die Ursache dieses Phänomens sein, wenn nicht die radioaktive Exposition? Beide Anlangen, sowohl KKW als auch CKW, sind von der Grundausstattung her sehr ähnlich. In beiden Kraftwerkstypen wird Wasserdampf auf ähnliche Temperaturen erhitzt und auf nahezu baugleiche Turbinen geblasen (man könnte also sagen, beide kochen nur mit Wasser), es werden ähnliche Stromgeneratoren bewegt und ähnlicher Strom produziert und auch sonstige Umweltfaktoren, wie Platzbedarf, Geräuschemission etc. sind – wenn schon anders – dann eher dem CKW anzulasten. Folglich muss der unterstellte Anstieg der Krebsraten in der Nähe der KKW alleinursächlich mit der Strahlenexposition zu tun haben. Anderslautende Erklärungsversuche (etwa das “schlechte Gefühl”, was man in der Nähe eines KKW oder bei dessen Anblick habe etc.), gehören unserer Meinung nach ins Reich parawissenschaftlicher Träumerei und werden daher vollständig außer Betracht gelassen.

Aus der somit gefolgerten alleinigen Kausalität der “Treppenkurve”, der wir einen quadratischen Verlauf nach Entfernung von der Strahlenquelle unterstellt haben, folgt jedoch der direkte Zusammenhang der relativen Krebsraten (des Krebsrisikos) mit der radioaktiven Exposition am Wohnort, denn sowohl Ð als auch Æ* sind umgekeht proportional zum Quadrat der Entferung von Strahlenquelle (hier eines KKW) und somit erhalten wir:

Ð/Æ*=a, a>0 ¤

Unsere Eingangs erwähnten Thesen 1. und 2. ergeben sich somit aus den Lemmata 2, 3 und 4 durch eine triviale arithmetische Multiplikation. Quod erat demonstrandum ¤

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***) Auch wenn wir vorliegend keine Wertungen über andere wissenschaftliche Arbeiten abgeben, finden wir die Verwendung von Termini wie “Fallkind” oder “Proband” bezogen auf krebserkrankte Kinder abstoßend und distanzieren uns hiervon mit allem Nachdruck!

4. QUELLENVERZEICHNIS

[1] KiKK-Studie gesamt
[2] KiKK-Studie Zusammenfassung
[3] RTGB-Broschüre/Studie
[4] RTGB-zitierte Drucksache 16/9032 des Bundestages