Über das System Tesla

»
Das Reichweitenproblem von batteriegetriebenen Autos ist per se unaufhebbar; es resultiert schlicht und ergreifend aus den naturgemäß gegebenen Einschränkungen der (gravimetrischen) Energiedichte, zumindest solange wir bei der Ionen-Technik bleiben. Was wir allenfalls noch tun können, ist dieses Problem irgendwie zu umgehen bzw. es ein wenig handhabbarer zu gestalten. Wie das wiederum in der Praxis geht, zeigt der nachfolgende Langstrecken-Praxistests mit dem System „mV/s2“ (Tesla 😀, da \textstyle\mathrm{1\,T=1\,mV/s^2_. } gilt). Leider sind die im Text genannten Preise für den Supercharger-Strom in Frankreich inzwischen überholt. TE
LE
GR
AM
.
Tesla Model 3 LR 4WD
Langstreckentest: französische Autobahnen (130 km/h Tempolimit):
90% max. Zuladung, Außentemperatur unter 10°.
Verbrauch: 19.5 kWh = 4,50 € pro 100 km

Zu den mainstream-konsensualen Konstanten der veröffentlichten Meinung hierzulande zählt – neben dem baldigen Durchmarsch der „Erneuerbaren Energien“, dem sicheren Exit von Brexit oder dem kurz bevorstehenden Ende von Donald Trump – auch und insbesondere die baldige Pleite von Tesla. Jeden Tag lesen oder hören wir von den Milliarden und Abermilliarden Dollar, die Tesla in der und der Zeit verbraten würde, außerdem sei Tesla wie jedes andere BEV wegen der kurzen Reichweiten vollkommen alltagsuntauglich, ansonsten können die Amis gar keine Autos bauen 🙄 – und ja und überhaupt…

Nun könnte man bei derartigen Auslassungen einfach die Mundwinkel leicht hochziehen und zur Tagesordnung übergehen. Denn schließlich ist uns allen klar, in welchem Interessensfeld sich unsere Journaille bewegt. Gleichzeitig wird der sachkundigere Teil derselben, also die Börsen-Analysten und -Journalisten, durch ein so unkonventionelles Unternehmen wie Tesla, mit den verrückt scheinenden Ideen, der besonderen Message etc. regelrecht auf dem Plattfuß erwischt. So bleibt unseren Profis nichts anderes übrig, als die eigenen Vorhersagen zu relativieren und sie zeitlich in die Zukunft zu schieben… während Tesla unbeirrt die SuC-Infrastruktur ausbaut und deren energetische Versorgung womöglich bald ohne die Politik unter eigener Ägide regelt.

Also einfach „so what“ und alles gut? Mitnichten! Denn bereits ein kurzes Revue-Passieren-Lassen der letzten Monate lässt erkennen, wie falsch… ja, wie gefährlich eine solche Vorstellung ist! Angefangen von kleineren Firmen, über Stadtwerke, bis hin zu den Automobilherstellern – unter all denen finden sich zunehmend welche, die das BEV als gescheitert ansehen und zugunsten des „Wundermittels“ Wasserstoff (evtl. Synfuel, Bio2Power etc.) umsteuern. Das am häufigsten vorgebrachte Argument: die Reichweite; dazu gleich in der vorliegenden Mini-AG mehr.

➡ BMW Hydrogen 7 E68
Quelle © WikiCommons by Christian Schütt

An dieser Stelle wird mir zumeist entgegen gehalten „…lass die doch machen. Das Geld dafür scheinen die zu haben und vielleicht kommt dann doch was bei raus?“

Aber so einfach ist die Sache nicht. Denn erstens wissen wir nicht zuletzt aus den anderen AG’s, dass da nichts „bei rauskommt“. Und zweitens, es wäre für die Politik und Wirtschaft hierzulande langsam an der Zeit zu begreifen, dass wir es uns nicht mehr leisten können, mehrere Milliarden etwa in einem Projekt zur Wasserstoff-Verbrennung in einem gewöhnlichen Kolbenmotor ➡ zu versenken. Spätestens jetzt sollten insbesondere die Autobosse solche Phantasien aufgeben und sich stattdessen überlegen, was das System Tesla ausmacht. Einen kleinen Beitrag könnten die nachfolgenden Überlegungen zwar leisten, wenngleich sie es wohl eher nicht werden...

Was die Sache aber wirklich gefährlich macht – und was den eigentlichen Beweggrund für diese Mini-AG ausmacht – ist die Ähnlichkeit der Gemengelage zwischen 2011 und heute. 2011 hatten wir – damals bzgl. „Atomkraft“ – ein Feindbild, eine mächtige Lobby und eine breite Basis an Unwissen, tatkräftig unterstützt durch die Medien. Dann hat eine Knallgasexplosion in Japan gereicht um in einer Kurzschlussreaktion eine Entscheidung herbeizuführen, die zur Stunde immer noch nicht korrigiert ist und unter deren Folgen noch ganze Generationen zu leiden haben werden. Jetzt stellen wir uns einen Strom-Blackout vor, mit verheerenden Folgen. Der Verursacher ist schnell ausgemacht und deckt sich mit dem Feindbild, dem Elektroauto. Was läge dann näher als eine „Verkehrswende“ einzuläuten, das Elektroauto zu verbieten und den Wasserstoff fortan mit Bazookas zu pushen? Die Öko-, Auto-, Euro-Lobby – alle sind glücklich und die Qualitätspresse hält die wahren Hintergründe von uns fern… So haben wir weiterhin ein gutes Gefühl 👿.

Die AG

.

Supercharger in Frankreich „fahren“ bis zu 150 kW

Im vergangenen Herbst unternahm ich zusammen mit zwei Geschäftspartnern eine Tour nach Médoc. Die insgesamt 2700 km legten wir mit einem Tesla 3 LR AWD zurück. Ich beschreibe hier gezielt die Rückfahrt, da die Hinfahrt wegen vieler Umfahrungen etc. atypisch verlief.

So fuhren wir am Sonntag in aller Herrgottsfrühe los in Richtung des 1050 km entfernten Südbaden. Unsere erste Zwischenstation war der Flughafen Bordeaux-Merignac, wo ein Teilnehmer unserer Tour seinen Flug anzutreten hatte. Wir kamen mit einer ziemlich leeren Batterie an – kein Wunder, denn zum einen hatte es sich merklich abgekühlt und zum anderen zeigte sich der an die Grenze der max. Zuladung beladene Tesla (um welche Ladung es sich handelte, ist hier unerheblich 😉) nicht gänzlich unbeeindruckt hiervon. Der uns inzwischen wohl bekannte SuC war aber quasi um die Ecke, also kein Problem. Auto angeschlossen und dann ab ins Novôtel, wo wir uns ein Hotelfrühstück gegönnt haben. Hier ließen wir uns Zeit und fuhren dann um 7:20 Uhr mit einer ziemlich vollen Batterie weiter, um am SuC Brive-la-Gaillarde ein kurzes Intermezzo einzulegen. Schnell für kleine Jungs, Fahrerwechsel und gegen 10:00 Uhr ein „Weiter geht’s“. In Clermond-Ferrand eine kleine Panne, als der SuC den Ladevorgang abgebrochen hatte. Schnell restartet und dann gings gegen 11:55 Uhr schon wieder weiter Richtung Suc „Aire du Poulet de Bresse“. Hier ein knapp 1-stündiger Lunch bis 14:55 Uhr und mit voller Batterie weiter. Ankunft daheim um 17:45 Uhr. :mrgreen:

Supercharger [kWh]* Preis [€] Verweildauer/Bemerkungen
Merignac 56 13.44 45 Min. Novotel-Frühstücksbuffet ohne Hast in Anspruch genommen
Brive-la-Gaillarde 29 6.96 12 Min.
Clermont-Ferrand 51 12.24 30 Min. Ladevorgang zwischendurch unterbrochen, deshalb die Verweildaer
Aire du Poulet de Bresse 64 16.00 55 Min. An diesem SuC kostet die kWh 0.25 €, sonst 0.24 €.
*) Dass sich der Energieverbrauch auf exakt 200 kWh summiert, ist reiner Zufall. Dem ungläubigen Leser gegenüber kann ich es gerne belegen :mrgreen:
.
Der Supercharger Mâcon verfügt über 20 Ladepunkte à 150 kW, die aus den umliegenden Kernkraftwerken gespeist werden. Eine saubere Sache!

Welche Schlussfolgerungen sind aber hieraus zu ziehen, insbesondere, wer „punktet“ hier? Nun, den ersten Punkt macht hier erst mal ganz klar Frankreich mit dessen Kernenergie ! Denn für gerade mal 48 € bekamen wir eine gut verfügbare und relativ saubere Energie für unsere 1050 km – Heimreise. In Deutschland wäre diese Energie um einiges „dreckiger“ gewesen und mit max. 120 kW weniger verfügbar – gekostet hätte sie uns dennoch um die 70 €, wie bei einem sparsamen Diesel auch schon👿

Der zweite Punkt geht dann an Tesla als Auto. Wir blieben knapp unter 20 kWh pro 100 km und das trotz voller Zuladung und permanent betriebener Heizung, außerdem standen alle Systeme auf „Sport“. Der BMW i3, den ich auch mal unter ähnlichen Bedingungen getestet hatte, wäre wohl darüber gelegen und das bei deutlich bescheideneren Fahrleistungen und einem Komfort, der einfach auf einem ganz anderen Level angesiedelt ist.

Jedoch den mit Abstand wichtigsten Punkt macht hier eindeutig Tesla als System. Denn die Idee, die Supercharger in eigener Regie voranzutreiben, sie zu vernetzen etc. – und das alles ohne auf die Politik zu schielen 😉 – ist und bleibt einzigartig. Und es wird wohl für eine ziemlich lange Zeit eine fachliche wie intellektuelle Überforderung der Führungseliten nicht nur in Deutschland darstellen. Die Herrschaften werden ihre Zeit brauchen um zu verstehen, dass die Beschleunigung des Porsche Taycan nutzlos ist, wenn sie an der nächsten, bedauerlicherweise besetzten 😮 Ladesäule ihre Grenze findet…

Toyota Mirai, ein „Brennstoffzeller“. © Toyota USA.
FCV müssen in einem technisch wie zeitlich aufwändigen Verfahren mit über 100 L. flüssigen Wasserstoffs betankt werden.

Natürlich wird mich der kritische Leser jetzt fragen, wie ich denn darauf komme, das Reichweiten-Problem im System Tesla als gelöst oder zumindest so gut wie gelöst anzusehen, wo doch knappe drei Stunden Verweildauer an den Ladestationen nicht ganz ohne sind? Oder anders gefragt, was wäre denn mit einem Verbrenner – oder vielleicht mit einem künftigen Brennstoffzellauto – anders gewesen?

Nun, bei näherem hinschauen nicht allzu viel. Denn die zwei Stopps für die Mahlzeiten hätten wir auch mit einem Verbrenner eingelegt, außerdem hätten wir die Batterie über Nacht vollmachen und nach dem Frühstück gleich nach Brive la Gaillarde durchfahren können. Die zwei weiteren Stopps zwischendurch sind ebenfalls geschenkt, denn ohne den Unterbruch in Clermont-Ferrand wären gerade mal 30 Minuten draufgegangen. Einmal Tanken plus zweimal für kleine Jungs mit Espresso hätten aber kaum kürzer gedauert. Was also übrig bleibt, ist vielleicht ein bisschen mehr Planung, Optimierung im Vorfeld etc. und evtl. damit verbundene Einschränkung bei der Wahl der Stopps. Allerdings, eine echte Zeitersparnis hätten wir nur dann erzielt, wenn wir auf „Schnell-schnell“ gemacht hätten. Die Espressi in Pappbecher, Fastfood als Lunch ebenfalls „to go“ und dann schnell weiterfahren… ja, damit hätten wir eine gute Stunde eingespart. Aber auf welche und vor allem auf wessen Kosten? Denn gesund ist solche Hast wohl kaum, Fastfood ist es auch nicht und zur Erholung (und damit zur Verkehrssicherheit) tut’s nicht gerade positiv beitragen😳

.

https://www.facebook.com/rainer.stawarz/posts/2395699150645959