Liest man so etwas, wie er unter den Kommentaren auf Focus OnLine : “Was ist eine Kilowattstunde” noch im Jahre 2015 zu finden war, dann wünscht man sich nur eines: diese/r “Techno” möge bloß nicht das sein, was sie/er zu sein vorgibt, nämlich Physiklehrer 😳 . Indes ist der Repost von “Anonym” ist zwar physikalisch korrekt, aber vielleicht ein Stück zu kompliziert.
Obwohl das für die meisten (zumindest hoffe ich es) Leser noch so abenteuerlich klingt, gehört doch die Vorstellung von “KW/h” (bzw. “kW/h”) zu den meist verbreiteten Irrtümern auf dem Gebiet der Grundlagen von Physik. So habe ich oft genug erlebt, dass die nachfolgend durchexerzierten trivialen Aufgaben für so manche schier unüberwindliche Hindernisse darstellten. Oder aber man hat etwas errechnet, was alleine von der Alltagserfahrung her nicht stimmen konnte – etwa eine durchschnittliche Last eines normalen Haushalts von ‚zig Megawatt, eine Energieerzeugung am Trainingsgerät im Fitnessstudio in Höhe von 100 kWh und Ähnliches mehr.
Nun wollen wir mal zwei von solchen Aufgaben durchexerzieren und dabei die Resultate mit der Realität abgleichen. Wir nehmen also nicht alles einfach so hin, sondern schauen vielmehr, ob es in etwa “hinkommt”.
➡ Aufgabe 1:
Ich habe kürzlich von meinem Stromlieranten die letzte Jahresabrechnung erhalten und diese weist einen Verbrauch von 3000 kWh aus. Im gleichen Zeitraum (1 Jahr) lief das unweit von mir entfernte „Nucléaire de Fessenheim“ durchschnittlich mit 1.6 GW elektrischer Leistung.
a) Wie viel von diesen 1.6 GW habe ich selber (bzw. mein Haushalt) im Schnitt beansprucht? Oder anders gefragt, wie viele Haushalte mit dem gleichen Jahresverbrauch hätte dieser Meiler mit Strom versorgen können?
b) Wie lange hätte der Meiler gebraucht, um meinen Jahresbedarf an Energie abzuliefern (z.B. in einen Stromspeicher)?
Lösung: Nehmen wir zunächst die Definitionsgleichung für Leistung:
(1)
und lösen diese nach Arbeit (bzw. Energie) auf, so erhalten wir zunächst den Gegenwert in SI-Einheiten (Joule) für unsere 3000 Kilowattstunden:
Die Aufgabe 1a) bedeutet dann lediglich, die so ermittelte Energie auf ein ganzes Jahr umzulegen; mit anderen Worten, die bekannten Werte in (1) einzusetzen:
Dies kommt in etwa „hin“, denn es würde ja bedeuten, dass wir im Schnitt gute 3 Glühbirnen à 100 W „am Laufen“ gehabt haben. Diese haben wir zwar längst durch Energiesparleuten ersetzt, aber der Kühlschrank, die Tiefkühltruhe, der Computer, der W-LAN-Router…💡 all das haben wir auch rund um die Uhr am Laufen und da läppert sich schon was zusammen. Und noch eines können wir hieraus schlussfolgern: das von der Größenornung her recht kleine „Nucléaire de Fessenheim“ hätte weit über 4 Millionen solcher Haushalte mit Strom versorgen können!
Die Lösung der Aufgabe b) besteht dann lediglich darin, die Gleichung (1) nach t Aufzulösen – oder aber die 4.5 Millionen Haushalte auf das ganze Jahr zu verteilen!
➡ Aufgabe 2:
Im Fitness-Studio schaffe ich nach einer Stunde Training auf dem Crosstrainer (oder „Spinning“-Rad) lt. Anzeige knappe 1000 „Kalorien“ (gemeint sind stets kcal). Wieviel würde es einbringen, diese Energie als erneuerbare Energie jemandem einzuspeisen?
Lösung: Zunächst ist die Anzeige des Trainingscomputers eine Hochrechnung der gesamten „verbrannten“ Energie, jedoch bei weitem nicht derjenigen, die am Schwungrad tatsächlich abgegeben wird. Aus diesem Grunde wollen all die Trainingscomputer unser Körpergewicht wissen: Wir bewegen in der Tat nicht nur das Schwungrad, sondern auch und insbesondere viele Körperteile hin und her. Außerdem beansprucht der Trainingscomputer ebenso einen Teil dieser „just-in-time“ erzeugten Energie, so dass wir von dem angezeigten Wert deutliche Abstriche machen müssten. Um einen Wert von 860 kcal tatsächlich „onto wheel“ abzuliefern, müssten wir – je nach Gerät – weitaus mehr als die angezeigten 1000 kcal aufs Display bringen. Und diejenigen, die es in einer Stunde wirklich schaffen, wissen zu gut, wie es denen hinterher geht…
Wie es der Zufall will, entsprechen 860 kcal ziemlich genau einer Kilowattstunde, womit die Aufgabe gelöst wäre. Aber auch hier gilt es, das Resultat mit den alltäglichen Beobachtungen abzugleichen. So zeigte mein Trainingscomputer bei meinem letzten Ritt in die Nähe einer Kilowattstunde durchschnittlich in der Tat etwa 1000 Watt. Das kommt in etwa hin – wissen wir doch, dass eine Kilowattstunde ein Kilowatt pro Stunde ist… 😉