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Noch bis vor ein paar Wochen hätte ich über den Erntefaktor einer energetischen Anlage (im folgenden verwenden wir das englische „EROI“) gesagt, dieser sei eine allenthalben wohl verstandene physikalische Größe. Denn weder in den Social-Media-Threads noch in den Schulveranstaltungen, etwa Gastvorträgen etc. hatte ich bis dato Anhaltspunkte für irgendwelche Verständnisschwierigkeiten im Zusammenhang mit dieser Kennzahl festgestellt.
Doch dies hat sich in den letzten Wochen und Monaten grundlegend verändert. Auf einmal prasselten Fakenews auf mich ein, die ich früher nicht für möglich gehalten hätte. Dabei ist grundsätzlich zwischen zweierlei Kategorien zu unterscheiden: Die einen sind diejenigen, denen der Sachverstand in Physik schlichtweg fehlt. ➡ Sie haben gar nicht verstanden, welche energetische Umwandlungsprozesse z.B. in einem Kernkraftwerk stattfinden und können somit den EROI aus objektiven Gründen gar nicht erfassen. Und da gibt es aber auch jene, die offensichtlich das Ziel verfolgen, den für die „Erneuerbaren Energien“ ungünstigen EROI zu relativieren. Dabei haben wir zuletzt eine Reihe von z.T. grotesken Auswüchsen dieser eiligst bemühten Parawissenschaft erlebt, von denen wir einige auf den nachfolgenden Screenshots abgebildet haben.
Wir unterscheiden innerhalb der AG nicht zwischen diesen beiden Gruppen – sprechen stattdessen neutral von „Denkfehlern“, mit welchem Hintergrund auch immer.
➡ zu meinem Erstaunen zählte zu dieser Kategorie ein Opponent aus der Schweiz, der Physiklehrer sein bzw. gewesen sein wollte… 😈
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EROI. Die Definition
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Ob WKA oder KKW – alle Energie-„Erzeuger“ (eigentlich „Umwandler“) wandeln in einer Kette von Umwandlungsprozessen Primärenergie in Endenergie um, d.h. in jene Form, in der wir die Energie haben, also „ernten“ wollen. In den beiden nachfolgend verglichenen Fällen ist die Endenergie jeweils die elektrische, während die Primärenergie ein Bit komplizierter ist. Klar, bei einer WKA ist es schlicht die kinetische Windenergie, aber bei einem Kernkraftwerk? Die Antwort ist schlicht: die Masse! Denn ja, am Anfang der Umwandlungskette steht in der Tat die in der Masse gem. E=mc2 „versteckte“ ➡ Energie.
➡ Demzufolge sprechen manche an dieser Stelle von der einzig realisierten „echten“ Energieerzeugung (aus Masse eben), während es sich ansonsten lediglich um eine Energieumwandlung handelt. Wie dem auch sei: dieses Beispiel verdeutlich doch am besten, wie unsinnig es ist, die Primärenergie zu der Gestehungsenergie dazu zu rechnen 😯; hierzu gleich mehr unter „Denkfehler“
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Wofür steht dann der EROI? Nun, ganz bestimmt nicht für das Verhältnis End-/Primärenergie, was ja der klassische Wikungsgrad wäre. Nein, der EROI beschreibt schlicht und ergreifend, wie energieintensiv das Kraftwerk oder die Anlage ist. Genauer: wieviel Energie muss in die Anlage hineinfließen, um die gewünschte Energieumwandlung zustande zu bekommen; dies relativ zu der am Ende geernteten Energie, versteht sich:
Soweit so gut – kennen wir eigentlich. steht für die „geerntete“ Energie (somit Endenergie), für die „Gestehungsenergie“. Letztere ist eben jene summarische Energie, die über den gesamten Lebenszyklus der Anlage hinweg – von deren Gestehung mitsamt der Brennstoffe (well-to-wheel), über Maintenance bis hin zur Entsorgung – umzusetzen ist, um… Achtung!!! …um eben den Umwandlungsprozess Primär-zu-Endenergie zustande zu bringen (zu „gestehen“). Die Primärenergie des Prozesses zu dessen Gestehungsenergie dazu zu rechnen, ist eine Art Tautologie 😉 und gehört zu den meist verbreiteten EROI-Denkfehlern; s. ff. 💡3.
EROI. Die Denkfehler
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Der wohl am häufigsten verbreitete EROI-Denkfehler geht in etwa so: Der EROI sei eine dehnbare und auslegungsfähige Größe, die stets zugunsten von Kohle und Atom und zulasten der EE „gedehnt“ werde 🙄. Sie berücksichtige insb. nicht die Brennstoffkosten, die bei EE gleich Null seien und auch die Rohstoffkosten seien bei den EE nicht zu rechnen, denn diese würden bei den WKA- und PV-Anlagen lediglich „geparkt“ . Außerdem könne der EROI von Kohle und Atom gar nicht über 1 liegen, denn alleine an der Dampfturbine gingen ja 70% der Energie verloren; ganz zu schweigen von den Umweltschäden, die es bei den „Erneuerbaren“ doch gar nicht gebe… Und ja, und überhaupt…
Wenn man solchen Unfug liest, ist die erste menschlich verständliche Reaktion ein „Kopf-Tisch“ – bringt aber außer Kopfschmerzen nichts. Die zweite Reaktion ist dann schon eher ein Anzweifeln der Zurechnungsfähigkeit dieser Art von „Physikärn“. Aber hier muss ich den Leser enttäuschen: Unter denen gab es durchaus Leute, die zumindest vorgaben über eine naturwissenschaftliche Hochschulausbildung zu verfügen (der oben zitierte Physikleerer war ebenfalls dabei). Jedoch die dritte Reaktion hierauf ist – zumindest bei mir – für gewöhnlich die Fragestellung, was denn an diesem Sachverhalt so kompliziert sein sollte, dass es immerhin den Schulabsolventen so schwer macht, die Dinge richtig zu verstehen (oder was es den anderen so einfach macht, die Dinge zu vernebeln).
Hierzu empfehle ich den Vergleich von energetischen Datenflüssen zwischen PV und KKW. Auf Anhieb fällt einem eine große Diskrepanz auf: währen bei PV lediglich eine Umwandlung der (kostenlosen) Sonnenstrahlenergie in elektrischen Strom stattfindet, ist es bei einem Kernkraftwerk um nicht nur ein Bit komplizierter. Zunächst wird der sog. Massendefekt herbeigeführt und zwar mittels kerntechnischer Reaktionen, wie Spaltung von schweren Atomkernen der Aktinide bzw. Fusion von leichten (Wasserstoff-) Atomkernen, so dass kinetische Energie der Zerfallsteilchen, vorwiegend Neutronen, gewonnen wird. Diesen Neutronen wird dann die Energie durchs Ausbremsen entzogen, so dass jede Menge Wärme gewonnen wird. Danach gibt’s das gleiche Spiel wie bei einem fossilen Kraftwerk: Dampfturbine, Stromgenerator, Strom.
Genau das scheint mir die Erklärung dafür zu sein, warum es zu all diesen Denkfehlern kommt. Wir unterliegen einer Art optischer Täuschung. Denn wie kann ein Kernkraftwerk, dessen Brennstoff erst abgebaut, dann aufwendig aufbereitet und am Ende endgelagert werden muss, einen tausendfach besseren EROI haben, als eine PV-Anlage, die mit alledem nichts zu tun hat?
Umwandlungskette: PV-Anlage
Umwandlungskette: Kernkraftwerk
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Doch allem Ersteindruck zum Trotz, ist genau das Gegenteil richtig: PV wirft der facto gar keine Energie ab, während der Dual-Fluid-Reaktor in der Tat tausendfach besser wäre. Die Natur ist schlichtweg unbarmherzig… 😳
Die AG endet mit der nachfolgenden tabellarischen Gegenüberstellung, die jederzeit ergänzt werden kann, je nach dem welche „Denkfehler“ in Zukunft noch auftauchen werden. Der engagierte Leser mag seine Anregungen an die AG richten – entweder per E-Mail oder via Facebook-Post.
Denkfehler/Frage |
Richtigstellung/Antwort | |
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Der EROI erfasst weder monetäre Kosten noch Umweltschäden, besagt also über letztere rein gar nichts! | Der EROI ist zunächst einmal ein rein energetischer Quotient und umfasst in der Tat weder monetäre Kosten noch Umweltschäden. Dennoch ist er ein guter Indikator für diese Größen: Denn Energie ist in diesen Betrachtungen so ziemlich alles und wenn der EROI schlecht ist, sind monetäre Kosten sowie Umweltschäden tendenziell höher – und umgekehrt. Dies stimmt aber wirklich nur tendenziell, denn der EROI von WKA beispielsweise ist etwas besser als der von PV und dennoch ist der Impact der Windkraft in die Biosphäre „spürbar“ größer; s. auch Impact-Studie. |
💡 2 |
Der EROI ist doch eine dehnbare Größe und in einem hohen Maße auslegugsfähig, oder? | Falsch. Der EROI ist zunächst einmal eine physikalisch streng definierte Größe. Richtig ist, dass dessen Ermittlung, insbesondere die von , sich in der Praxis schwierig gestaltet bzw. gar nicht exakt möglich ist. Zwar haben sich jüngster Vergangenheit die Ermittlungsmethoden verfeinert, so dass wir immer exaktere EROI-Werte bekommen haben (etwa EROI<1 für PV), aber eine gewisse Unschärfe bleibt dennoch übrig. Zudem hat nicht zuletzt die „AG Energetik“ in einigen Studien belegt, dass der EROI gerade der EE starken Schwankungen unterliegt, z.B. in Abhängigkeit von installierter Leistung. Das alles mag dem EROI den Touch einer „Dehnbarkeit“ verliehen haben, was jedoch gänzlich unberechtigt ist. |
💡 3 |
Warum wird der Brennwert von fossilen Brennstoffen nicht beim EROI berücksichtigt? | Der Brennwert fossiler Brennstoffe ist ja gerade jene Primärenergie, die wir zur Endenergie umwandeln wollen. Folgerichtig müsste man die Sonnen- und Windenergie bei den EE (oder Massendefekt bei einem Kernkraftwerk) mit berücksichtigen. Primärenergie in der Umwandlungskette ist eben keine Gestehungsenergie dieser Umwandlung (und der EROI ist kein Wirkungsgrad hiervon!). Anders ausgedrückt: „Sonne und Wind schicken keine Rechnung, sie müssen weder abgebaut noch aufbereitet werden“ – OK, Masse oder Brennwert tun’s ebenso wenig…😛 |
💡 4 |
Sind Brennstoffkosten im EROI enthalten? | Sofern es sich bei „Kosten“ um energetische (Gestehungs-) Aufwendungen handelt, ja, selbstverständlich. Zu berücksichtigen sind hierbei alle Kosten, sozusagen „from-well-2-wheel“, inklusive Entsorgung. Letzteres wurde in den früheren EROI-Berechnungen häufig nicht im adäquaten Maße berücksichtigt. |
💡 5 |
Warum stellen wir bei P2G2P (power to gas to power) auf den Wirkungsgrad ab, während es bei den Kraftwerken nicht sinnvoll sein sollte? | Die Primärenergie einer P2G2P-Anlage ist ja grade die Endenergie aus einer WKA oder PV und von daher lohnt sich der Blick auf den Wirkungsgrad schon – nicht zuletzt um den gepufferten EROI der ursprünglichen EE-Anlage zu ermitteln. Jedoch für die P2G2P-Anlage selbst ist abermals der EROI interessant, der aber dennoch der ursprünglichen EE-Anlage „auf die Füße“ fällt. Für eine so abgepufferte EE-Anlage gilt dann der gepufferte EROI von: . |
💡 6 |
Wie kommt der DFR (Dual Fluid Reaktor) zu einem sagenhaften EROI von 2000, was sogar ein herkömmliches KKW um das zigfache übertrifft? | Der Grund ist in den Brennstoffkosten (mit „Kosten“ sind unverändert nur energetische Aufwendungen gemeint!) zu suchen. Denn beim DFR entfallen – nahezu vollständig – einerseits die Gestehungskosten der herkömmlichen Brennstäbe, inkl. „well2wheel“ etc. und andererseits die Zwischen- und Endlagerungskosten. Beispielsweise kann selbst die Anlieferung des sog. „Atommülls“ nicht dem DFR als Brennstoffgestehung angelastet werden, denn es sind streng prozessanalytisch betrachtet die Entsorgungskosten des herkömmlichen Kernkraftwerks (dessen EROI wiederum dank dem dahinter geschalteten DFR steigt ). Auch die Entsorgungskosten sind marginal – s. „Was taugen Reststoffe schneller Brutreaktoren?“ |
💡 7 |
Wie ist es möglich, dass z.B. ein GuD-Kraftwerk mit einem höheren Wirkungsgrad einen schlechteren EROI hat als eines mit einem schlechteren Wirkungsgrad? | Im Falle von vergleichbaren Kraftwerken ist der EROI bei demjenigen mit höherem Wirkungsgrad natürlich besser, weil einfach mehr Energie geerntet wird… aber eben bei gleichen Gestehungskosten. Gerade dies muss aber nicht unbedingt stimmen. Um in einem hocheffizienten thermischen Kraftwerk den Wirkungsgrad um nur einen Prozentpunkt zu erhöhen, bedarf es eines unverhältnismäßig hohen technischen Mehraufwands (Carnot-Effekt). Dieser Mehraufwand bedeutet aber mehr graue Energie und diese wiederum tangiert den EROI. |