Informationsparadoxon 2.0

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Die AG „Informationsparadoxon“ endet mit dem Statement: »Doch dieses „holografische Prinzip“ lehnte Hawking stets vehement ab – auch dann, als ein Geniestreich von Juan Maldacena die ganze Kontroverse mit einem einzigen mathematischen Beweis, nämlich dem der AdS/CFT-Korrespondenz, gewissermaßen im schwarzen Loch hat verschwinden lassen. Denn damit war endgültig klar, dass beim Eintritt eines Objektes in ein schwarzes Loch dessen gesamte Information nur scheinbar verlorengeht – eben für einen Beobachter von außen. In Wirklichkeit bleibt sie jedoch erhalten und kann – theoretisch – am Ereignishorizont abgegriffen werden.« TE
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© 2021 Samuel Velasco / Quanta-Magazin

Wie dem obigen Statement vom Mai 2015 unschwer zu entnehmen ist, war für mich mit Juan Maldacena’s Beweis der AdS/CFT-Korrespondenz ➡ die Jahrzehnte lange Kontroverse rund um das Informationsparadoxon ein für alle Male „im schwarzen Loch verschwunden“. So war die Welt für mich in Ordnung – insofern hielt sich meine Bereitschaft, die so mühselig erlangte Erkenntnis 😉 in Frage zu stellen, doch sehr in Grenzen.

Dennoch rissen die Hinweise seitens der eher überschaubaren Leserschaft meines Beitrags nicht ab, ich würde es mir an dieser Stelle entschieden zu leicht machen. Dass die Information beim Eintritt ins Schwarze Loch nicht verloren geht, sei schön und gut, aber deren Abgabe ins Universum mittels Hawking-Strahlung weise doch Ungereimtheiten auf. All die Hinweise, für die ich stets dankbar bin, würden – hier auch nur stichwortartig aufgelistet – den Rahmen sprengen. Aber ein solcher Hinweis hat mich sofort stutzig gemacht: es handelt sich um die jüngsten Arbeiten von Don Page von der University of Alberta.

Was macht diesen Kanadier so interessant ? Nun, bereits als Doktorand postulierte er jene Quanteneffekte am Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs, die später für die epochale Entdeckung seines damaligen Beraters herhalten mussten. Und dieser Berater war… Stephen Hawking. Ja, Don Page war eben derjenige, der vom „Verrotten eines Schwarzen Lochs von außen nach innen“ sprach!

So verwies Page bereits in den 80’ern auf ein scheinbares Fortbestehen des Informationsparadoxons (was ich lieber verdrängt hätte 😉) und zwar nicht beim Eintritt ins Schwarze Loch sondern vielmehr beim Prozess dessen Verdampfung. Nach einer grundlegenden Lehrmeinung der Quantenmechanik müsste nämlich die mittels Hawking-Strahlung emittierte Information es (theoretisch !) möglich machen, jeden Gegenstand, der da zuvor hineingefallen ist, rekonstruieren zu können.

Don Page, Univ. of Alberta © John Ulan

Doch diesen Informationsgehalt sprach Page der Hawking-Strahlung schlicht ab. Eigentlich nachvollziehbar, denn wer glaubt schon allen Ernstes daran, an der austretenden Strahlung ablesen zu können, dass ein außer Kontrolle geratenes Raumschiff mal in dieses Schwarze Loch hineingeflogen war. Die Folge von Page’s Einwand war allerdings nicht weniger als die Wiederauflage des Informationsparadoxons. Denn das Schwarze Loch „stirbt“ ja früher oder später, indem es seine gesamte Information nach außen abgibt… also geht die Information doch zwischendurch verloren??

Die Lösung dieses Informationsparadoxons 2.0 (Name frei erfunden) konnte nur jemand liefern, der wie kein anderer eben Quanteneffekte am Ereignishorizont fokussierte. Und so verwies eben Don Page selbst auf einen  bis dato wenig beachteten Effekt, den wir aber hier aus unseren AG’s zu Thema Quantencomputing kennen: die Quantenverschränkung. Page postulierte insbesondere, dass die emittierten Teilchen mit deren Counterparts im inneren vom Schwarzen Loch verschränkt seien. Die austretenden Teilchen und deren Counterparts, jeweils für sich genommen, geben zu wenig Information her. Aber zusammen betrachtet erhalten wir eben die „fehlenden“ Puzzlestücke. Der Vergleich mit den RSA-Verfahren (public key / private key) drängt sich hierbei zwangsläufig auf.

Page berechnete sogar jenen Informationsgehalt, der in der Verschränkung selbst drinnen steckt – eine Größe, die als „Verschränkungsentropie“ bekannt ist. Nun war aber das Paradoxon noch nicht ganz aufgelöst. Denn am Anfang der Existenz eines Schwarzen Lochs müsste die Verschränkungsentropie nahe Null sein, da das Schwarze Loch noch kaum verschränkte Strahlung abgegeben hat. Dann müsste sie wachsen, um beim Ableben des Schwarzen Lochs wieder bei Null zu sein, weil es ja verschwunden ist. Mit anderen Worten das Wachstum gemäß S=c^3A/4{\hbar}G muss eine Trendumkehr erfahren.

Diese Trendumkehr wurde zwar schon früher vermutet, allerdings sah man sie eher kurz vor dem Ableben des Schwarzen Lochs, insbesondere dann, wenn dieses nur noch subatomare Größenordnungen aufweist. Doch Don Page belehrte alle eines Besseren: er errechnete den Zeitpunkt der Trendumkehr – die sog. Page-Zeit – ziemlich in der Mitte der Lebensdauer vom Schwarzen Loch.

➡ s. z.B. AdS/CFT-Korrespondenz – Lexikon der Astronomie (spektrum.de).
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